Schülerinnen und Schüler des Pestalozzi-Gymnasiums kümmern sich um deren Reinigung zum Gedenken an die Opfer des NS-Regimes
Zum 9. November, dem Jahrestag der Novemberpogrome von 1938, putzen die Jugendlichen aus dem Geschichte-Zusatzkurs der Q2 die Stolpersteine in der Morgenstraße und Schäferstraße.
Das Gymnasium hat die Patenschaft für die kleinen Gedenktafeln übernommen, welche jeweils vor dem letzten frei gewählten Wohnort der NS-Opfer zu finden sind. Nachdem die Einzelschicksale im Unterricht bearbeitet worden sind, haben die Schülerinnen und Schüler in Gruppen die Gedenkstätten aufgesucht und nach der Putzaktion mit bunter Kreide gestaltet, um Aufmerksamkeit der Passanten zu erregen.
Familie Caspary lebte in der Morgenstraße 31. Der jüdische Brennereibesitzer Julius und seine Frau Meta wurden in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 in sogenannte „Schutzhaft“ genommen. Im Zuge einer als „Arisierung“ benannten Enteignung musste das Ehepaar in das Israelitische Altersheim Unna übersiedeln, bevor es im März 1939 nach Brasilien auswanderte (zit. nach Jürgen Düsberg).
Familie Marcus lebte in der Morgenstraße 60a. Die jüdische Juristenfamilie geriet durch die nationalsozialistische Gesetzgebung, vor allem das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“, massiv unter Druck. Unter dem Eindruck des Judenpogroms 1938 nahmen sich Emil und Tochter Elsbeth Marcus am 13. November per Strick das Leben. Bertha vergiftete sich mit Leuchtgas (zit. nach Jürgen Düsberg).
Familie Selig lebte in der Schäferstraße 37. Seit mehreren Generationen betrieb die jüdische Familie dort eine Viehhandlung. Unter dem furchtbaren Terror, den die Nationalsozialisten ausübten, flohen mehrere Familienmitglieder ins Ausland. Am Abend des 9. Novembers 1938 wurden jedoch Otto und Bernhard Selig sowie deren drei Schwestern Jettchen, Elfriede und Hedwig Selig verhaftet. Nach der Entlassung Ottos im Dezember 1938 konnte keine legale Ausreise mehr realisiert werden, sodass bei den ersten beiden Großtransporten im April und Juli 1942 die Familie Selig in das KZ Zamosc nach Polen verschleppt wurde (zit. nach Jürgen Düsberg).
Das Projekt der Stolpersteine geht auf den Künstler Gunter Demnig zurück, der es im Jahr 1992 ins Leben rief. Mit den im Boden verlegten Messing-Täfelchen soll an das Schicksal der Menschen erinnert werden, die in der Zeit der Terrorherrschaft der Nationalsozialisten verfolgt, vertrieben, ermordet, deportiert oder in den Suizid getrieben wurden. Die quadratischen Tafeln mit abgerundeten Ecken und Kanten sind manuell mit mittels Hammer und Schlagbuchstaben eingefügten Lettern beschriftet. Außer in Deutschland werden sie auch in 30 weiteren europäischen Ländern verlegt und gelten als das größte dezentrale Mahnmal der Welt.